Dresden. Der Freistaat Sachsen hat sich im europäischen Ausland offenbar
als Traumziel herumgesprochen – für die Einfuhr von belasteten Industrie- und
Bauabfällen. Seit Jahren steigen die Tonnagemengen des ausländischen Mülls, die
auf die Platz im Überfluss bietenden sächsischen Deponien gekippt werden. „Absoluter
Spitzenreiter bei den Müllimporten ist Italien. Nach Cröbern
im Südraum Leipzig hat sich der Müllimport von 2001 bis 2005 verdreißigfacht“, beklagt der Grünen-Umweltpolitiker
Johannes Lichdi. 2005 seien mehr als 135 000 Tonnen
Müll aus Italien nach Cröbern gefahren worden. Hinzu
kommen Abfälle etwa aus Frankreich, Tschechien und Griechenland.
Die Zahlen sind dabei nicht aus der Luft gegriffen. Sie basieren auf einer
Antwort des Umweltministers auf eine Kleine Anfrage. „Da ist was faul, wenn sogar
die Italiener über Tausende von Kilometern ihren Problem-Müll nach Sachsen
bringen“, sagt Lichdi und fügt an: „Ich
verstehe nicht, warum Sachsen problematische Abfälle wie Asbest,
Industrieschlämme, Farben- und Lacke, Filterstäube und gefährliche Teile aus
Elektrogeräten überhaupt annimmt.“
Die Grünen wollen den Importen nun rechtlich einen Riegel vorschieben. Am
Freitag will die Fraktion im Landtag die Regierung auffordern, die Einfuhr der
heiklen Fracht zu stoppen. Alle rechtlichen Möglichkeiten sollten dafür
ausgeschöpft werden. „Die Deponie Cröbern darf
nicht länger das Eldorado für gefährliche Abfälle aus ganz Europa und anderen
Bundesländern sein“, so Lichdi. Dies geschehe
nur, weil die Deponie überdimensioniert sei und wirtschaftlich den Abfall aus
dem Ausland benötige. Dies passe allerdings kaum ins landschaftlich reizvolle
Neuseenland.
Betroffen ist aber nicht nur Cröbern. Auch auf
anderen Deponien etwa in Ostsachsen trifft Müll aus dem Ausland ein. Die
Deponie Kodersdorf bei Görlitz darf bis Ende 2006 mehr als 200 000 Tonnen
Gleisschotter mit asbesthaltigem Material annehmen. Wetro
bei Bautzen erhielt bereits 180 000 Tonnen, Tendenz stark steigend.
Der Geschäftsleiters des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW),
Holger Bauerfeind, wirft den Grünen dagegen Populismus vor. Während in Italien
teils katastrophale Zustände bei der Entsorgung herrschten und Industriemüll
schon mal in ein ausgedientes Fußballstadion gekippt werde, stehe in Cröbern eine der größten und modernsten Deponien Europas.
Die Abfallmengen aus dem Ausland seien für den ZAW ein großer wirtschaftlicher
Faktor, „auf den wir nicht verzichten wollen,“
so Bauerfeind. Von den Transporten gehe dabei keine Gefahr aus und auch
rechtlich sei alles korrekt geregelt.
Auch Umweltminister Stanislaw Tillich (CDU) will
zurzeit nicht handeln. „Sachsen ist kein ausgesprochenes Müll-Importland.
Wir bewegen uns im bundesdeutschen Durchschnitt“, sagte Tillich
auf Anfrage. Gefahren für Gesundheit und Umwelt würden
dabei Dank der EU-Genehmigungspflicht verhindert. Ein Stopp der Importe, warnt Tillich, würde eher den wirtschaftlichen Fortbestand der
sächsischen Anlagen gefährden. Und außerdem exportiere auch Sachsen selbst Müll
nach Tschechien, Polen – und nach Italien.
Leipziger Volkszeitung, Seite 4, 12.09.2006
(siehe auch http://www.muellverbrennung-delitzsch-nein.de - Zeitung)